Bestseller (29.12.2008)

In »Seitenweise Erfolg. Vierzig Bestseller und ihre Geschichten« präsentieren die Absolventen des Aufbaustudiengangs Buchwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München die Entstehungs- und Rezeptionsgeschichten von vierzig Bestsellern. In Sachtexten, Porträts und Interviews mit den Machern stellen sie so unterschiedliche Erfolgsbücher wie Tim Mälzers »Kochbuch«, Umberto Ecos »Der Name der Rose«, Cornelia Funkes »Tintenwelt-Trilogie«, Dieter Bohlens »Nichts als die Wahrheit«, Klaus Manns »Mephisto«, Julia Francks »Die Mittagsfrau« und Günter Grass‘ »Die Blechtrommel« vor.

Das Fachmagazin buchreport gibt Auskunft über die aktuellen Bestsellerlisten, eine Liste der meistverkauften Bücher verrät, welche Bestseller langfristig erfolgreich sind. Und wer selbst empirische Bestsellerforschung betreiben möchte, kann in der Buchhandlung seiner Wahl zwischen den Zeilen lesen: Was liegt dort als Stapeltitel? Wie schnell fließen die Stapel ab? Was wird an den prominenten Stellen des Ladens beworben und frontal präsentiert? Und, sicherstes Indiz: Nach welchen Titeln fragen die meisten Kunden? Anfragen nach welchen Titeln häufen sich so, dass die Buchhändlerinnen längst einen Stapel hinter der Kassen- oder Infotheke platziert haben, nach dem sie ohne hinzusehen greifen, um den Kunden ein Exemplar zu übergeben?

Trotzdem bleibt Bestseller vor allem ein relationaler Begriff, der ein Buch bezeichnet, das sich in einem bestimmten Gebiet und während eines bestimmten Zeitraums besser verkauft hat als alle anderen.  Deswegen berücksichtigen Bestsellerlisten in der Regel einen ganz bestimmten Zeitraum (etwa eine Woche), einen bestimmten Markt (Belletristik oder Sachbuch oder Ratgeber oder …) und einen Sprachraum. Viele Longseller oder Steadyseller, die für die Verlage besonders wichtig sind, sind auf Bestsellerlisten nie aufgetaucht – eben weil sie sich über einen langen Zeitraum kontinuierlich verkaufen, aber nicht über einen kurzen Zeitraum die Spitzen erreicht haben, die nötig sind, um in den Relationen der Bestsellerlisten zu bestehen.

Was bedeuten Bestseller für Verlage, Autoren und Leser? Für Verlage bedeutet der Platz auf der Bestsellerliste vor allem: weitere Verkäufe. Denn kaum eine Empfehlung ist verbindlicher, kein Argument schlagkräftiger als Präsenz auf dieser Liste.  Dieses Buch hat es geschafft, sugggeriert die Platzierung: Das muss man lesen. Hier macht man nichts falsch.

Für Autorinnen und Autoren ist der ersehnte Bestsellererfolg ein Sechser im Lotto: ein Polster, das für die nächsten Buchprojekte finanzielle Freiheit gibt, das ihnen vielleicht die Möglichkeit gibt, den bisherigen Hauptberuf abzulegen und  ausschließlich zu schreiben. Zugleich aber legt der Bestsellererfolg die Latte höher: Das nächste Buch steht unter Beobachtung, spätestens von der Ankündigung des Verlages an, vielleicht schon vorher, wenn hartnäckig gefragt wird, was der Autor, die Autorin denn als nächstes Plane. Und auch dann erweist sich Bestseller als relationaler Begriff: Wird das Buch nach dem Bestseller ein mittlerer Erfolg, hätten sich vor dem Bestseller alle darüber gefreut. Nach dem Bestseller ist die Währung eine andere – die Enttäuschung wird groß sein bei Autor und Verlag.

Für Buchkäuferinnen und -käufer – bleiben Bestsellerlisten ein wichtiges Instrument zu Orientiertung in einer unüberschaubaren Flut von Neuerscheinungen. Was sie für Leserinnen und Leser bedeuten, lässt sich kaum sagen, da es so viele Leserbiographien wie Leser gibt.  So, wie die einen die Liste aus Auswahl von Geheimtipps verstehen und gebrauchen werden, wird für die anderen die Bestsellermarkierung vor allem eins bedeuten: eine Warnung vor dem Mainstream.

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3 Kommentare zu “Bestseller (29.12.2008)”

  1. Geschrieben von Sarah am 03. Februar 2009 um 13:55 Uhr

    Eigentlich habe ich nie viel von Bestsellerlisten gehalten. Jedoch habe ich mir „Die Eleganz des Igels“ gekauft, nachdem ich den Titel in den Bestsellerlisten von Frau Krones Skript entdeckt habe. Darüber bin ich wirklich froh, denn es gefällt mir sehr gut und ich habe es schon an meine Familie weitergegeben, die auch begeistert war. Andererseits findet ich es einfach nur traurig, dass in den Bestsellerlisten auch immer wieder Bücher wie Dieter Bohlens „Nichts als die Wahrheit“ auftauchen. In diesen Fällen sagen solche Listen für mich nur noch aus, wie viele Menschen einen schlechten Buchgeschmack haben und nichts mehr darüber, welches Buch vielleicht ein toller Tipp sein könnte.

  2. Geschrieben von LaKly am 04. Februar 2009 um 16:02 Uhr

    Die besten Tipps erhält man meiner Meinung nach sowieso nicht aus den Bestsellerlisten, sondern über Empfehlungen von Freunden, über Anregungen aus anderen Büchern oder durch bloßen Zufall. Auch ich frage mich manchmal, wie und warum es ein Buch schafft, auf solche Listen zu geraten.
    Das Phänomen Dieter Bohlen z. B. lässt sich wohl nur auf dessen derzeitige massive Medienpräsenz zurückführen. Er ist ja erstens kein Autor, zweitens sind seine Bücher keine Literatur, sondern bestenfalls noch Unterhaltung, die sich in ihrem Niveau seinen verbalen Äußerungen anzunähern scheint, und drittens hat er eigentlich nichts zu sagen. Es ist schade, dass der Buchmarkt zusätzlich von solchen Titeln überschwemmt wird, die eigentlich nur dazu dienen, diversen „Promis“ noch mehr Geld in die Taschen zu spülen und es somit anderen, jungen Autoren noch schwerer machen, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
    Was mich an der Liste der meistverkauften Bücher etwas verwundert und auch enttäuscht hat, ist, dass in Bezug auf deutschsprachige Literatur nach den Heidi-Büchern und „Das Parfum“ an dritter Stelle gleich „Mein Kampf“ von Adolf Hitler folgt. Das sollte schnell geändert werden!!!

  3. Geschrieben von Midna am 04. Februar 2009 um 20:29 Uhr

    Meine Meinung zu Bestseller-Listen ist etwas zwiespältig. Einerseits finde ich es ganz interessant hin und wieder einmal einen Blick auf diese Ranglisten zu werfen, einfach um einen Überblick über die derzeitigen Verkaufsschlager zu erhalten, oder aber auch um mir Anregungen zur Lektüre zu holen. Schließlich befinden sich ja auch viele gute Titel darauf, die wirklich Aufmerksamkeit verdienen.
    Andererseits finde ich es auch problematisch und den Nicht-Bestsellern gegenüber schade und ungerecht, wenn auf diese Weise immer nur diese (meist nur ersten zehn) Besten in den Medien präsent sind. Dies führt zu einer zusätzlichen Popularität und damit zu einem gesteigerten Absatz, sowohl der positiv als auch negativ rezensierten Bücher. Schließlich entscheiden sich mit Sicherheit viele Leser nicht nur auf Grund der hohen Qualität für ein Buch, sondern vor allem auf Grund seiner Bekanntheit, oder aber gerade wegen der vieldiskutierten mangelnden Qualität. Man ist einfach neugierig. („Kann das wirklich sooo schlecht sein, wie alle behaupten?“)
    Daher geben die Bestseller-Listen meiner Meinung nach auch keine wirkliche Auskunft über den schlechten oder guten Buchgeschmack der Leser. Wer „Feuchtgebiete“ kauft tut dies nicht wegen seines literarischen Anspruchs, sondern weil ständig darüber diskutiert wird. Und die Leute, die zur Bohlen-Biographie greifen, tun dies wohl entweder, weil sie Fans dieses „Prominenten“ sind, oder das Gegenteil, oder einfach, weil sie den Marketing-Strategien erlegen sind.