Stille Stimmen: Literarische Zeitschriften am Beginn des 21. Jahrhunderts (26.7.2010)

Sie waren einmal Stimmführer auf dem Literaturmarkt: literarische Zeitschriften. Akzente etwa, seit 1954 im Carl Hanser Verlag, verstand sich von Gründung an als Plattform für die Etablierung junger Talente: Hans Magnus Enzensberger debütierte in den Akzenten, Günter Grass publizierte dort als junger Autor und wurde in der Folge wesentlich von Herausgeber Walter Höllerer gefördert, Ingeborg Bachmann war von der ersten Ausgabe an Akzente-Autorin. Die Zeitschrift wurde zum Seismograph literarischer Strömungen und spielte eine zentrale Rolle für die Durchsetzung ausländischer Literatur in der Bundesrepublik.

Es gibt sie bis heute: literarische Zeitschriften, die sich wie Am Erker um bestimmte Genres verdient machen, offene Lesebühnen wie lauter niemand, die sich ausdrücklich als Entdeckerzeitschriften verstehen, traditionsreiche Blätter wie Wespennest, Akzente oder Sinn und Form. Doch die einstigen Monopolisten der Präsentation und Diskussion von Literatur spielen heute im Konzert der Literaturvermittler die leiseste Stimme. Sie üben keine erkennbare Funktion mehr aus.
Ihr Monopol haben sie an Feuilletons, Literaturpreise und Institutionen der Literaturförderung verloren, viele ihrer genuinen Zielgruppen sind auf andere Medien ausgewichen. Leserinnen und Leser verfolgen literarische Debatten heute in den Tages- und Wochenzeitungen. Redakteure und Lektoren akquirieren mithilfe von Agenturen. Autorinnen und Autoren wiederum brauchen den Werkstattcharakter literarischer Zeitschriften immer weniger, seit die Angebote des Literarischen Colloquiums Berlin oder der Literaturhäuser einen solchen Rahmen bieten und seit auch online publiziert werden kann.
Parallel zur literarischen Zeitschrift hat sich in den letzten Jahrzehnten auch das Medium Buch verändert: Sein Erscheinungsrhythmus, insbesondere der des Taschenbuchs, das sich für Originalausgaben geöffnet hat, hat den der literarischen Zeitschrift überholt. Das Buch ist heute auch für Experimente zu haben, die früher der Zeitschrift vorbehalten waren. Unbekannte Autoren nehmen die Hürde zur Buchpublikation schneller als in den 50er oder 60er Jahren. Probebühnen in Zeitschriftenform werden von Autoren kaum mehr gebraucht – und von Verlagen und Publikum nicht wahrgenommen.
Dass ein Medium wie die literarische Zeitschrift im Wandel der Medien verschwindet, ist nicht tragisch, sondern Normalität. Tragisch wäre es, wenn mit dem Medium die Formate verschwänden, um die sich literarische Zeitschriften besonders verdient gemacht haben: insbesondere die Lyrik und der Essay. Solange sich dafür – im Web 2.0 oder in klassischer Printform – keine Schutzräume aufgetan haben, sind literarische Zeitschriften noch immer überlebenswichtig für die Literatur.
Damit leise Stimmen hörbar werden, brauchen sie Resonanzräume. Literarische Zeitschriften funktionieren heute überall dort, wo solche Resonanzräume gegeben sind: die Sprache im technischen Zeitalter etwa in ihrer Bindung an das Literarische Colloquium Berlin oder die inzwischen wohl wichtigsten und einflussreichsten Zeitschriften für neueste deutschsprachige Literatur, Edit und Bella triste, in ihrer räumlichen und institutionellen Nähe zu den renommierten universitären Schreibstudiengängen in Leipzig und Hildesheim. Gerade diese Bindung an Institutionen der Aus- und Fortbildung entspricht genuin dem, was Zeitschriften immer ausgemacht hat: Es sind Generationenprojekte.

Der Artikel ist erstmals erschienen im Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 13/2010, S. 13 sowie online auf borsenblatt.net – onlinemagazin für den deutschen Buchhandel

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24 Kommentare zu “Stille Stimmen: Literarische Zeitschriften am Beginn des 21. Jahrhunderts (26.7.2010)”

  1. Geschrieben von Susanne Krones am 26. Juli 2010 um 09:41 Uhr

    Liebe Studentinnen, ein Semester lang haben wir uns mit dem Genre der literarischen Zeitschrift in der zweiten Hälfte des 20. und im beginnenden 21. Jahrhundert beschäftigt. Nun ist es Zeit für Ihre Meinung und Ihre Einschätzung:
    Welche Funktionen haben literarische Zeitschriften heute?
    Wie hat der Wandel des Literaturbetriebs die Rolle der Zeitschriften verändert?
    Welche Zukunft sehen Sie für literarische Zeitschriften im deutschsprachigen Raum?
    Wie müssten sich Zeitschriften entwickeln, um weiterhin eine tragende Rolle zu spielen?
    Sehen Sie Akteure oder Medien, die die Funktionen literarischer Zeitschriften bereits übernommen haben oder sie in Zukunft ersetzen könnten?
    In welcher Hinsicht werden literarische Zeitschriften unverzichtbar sein – und was wird fehlen, sollte es sie eines Tages tatsächlich nicht mehr geben?

  2. Geschrieben von Löwenzahn am 28. Juli 2010 um 16:47 Uhr

    Wie bereits erwähnt sind Literaturzeitschriften heute keineswegs mehr die Stimmführer auf dem Literaturmarkt und sie haben viele ihrer früheren Funktionen verloren. Autoren benötigen diese Plattform nicht mehr, da es so viele andere Möglichkeiten der Publikation gibt, um schneller die breite Masse zu erreichen. Daher denke ich, dass die Zukunft für literarische Zeitschriften nicht besonders gut aussieht. Sie werden nur in relativ niedriger Auflage produziert und ihre Käufer bestehen zum Großteil aus Abonnenten, darunter sehr viele Bibliotheken und Verlage. Dem Großteil der Bevölkerung sind literarische Zeitschriften unbekannt, was schon sehr deutlich daran zu sehen ist, dass von uns Studentinnen, die sich alle mit Literatur auseinandersetzen, keine der zur Diskussion stehenden Zeitschriften bekannt war. Eine Möglichkeit wäre, um literarische Zeitschriften zumindest unter Studenten populärer zu machen, neue Werbekonzepte zu entwickeln, die gezielt an Universitäten präsentiert werden und so den Bekanntheitsgrad steigern.

  3. Geschrieben von Löwenzahn am 28. Juli 2010 um 18:39 Uhr

    Außerdem denke ich, dass der verhältnismäßig hohe Preis von Literaturzeitschriften die Leute vom Kauf abhält. Ich persönlich investiere das Geld auch lieber in ein Taschenbuch als den gleichen Betrag für eine literarische Zeitschrift auszugeben, in der mich womöglich keiner der Texte anspricht. Anders wäre es, wenn ich wüsste, dass ein berühmter Autor einen Text in der Zeitschrift veröffentlicht, der mich interessiert. Dann würde ich das Geld investieren und gleichzeitig auch die anderen Beiträge lesen. Fände ich Gefallen an der Zeitschrift, würde ich mir vielleicht auch die nächste Ausgabe kaufen.
    Nichtsdestotrotz glaube ich, dass literarische Zeitschriften keine Zukunft haben, da sie vor allem von den Feuilletons der großen Tages- bzw. Wochenzeitungen abgelöst werden. Viele Leute haben Zeitungen abonniert und informieren sich darin auch gleich über den Literaturmarkt. Daher denke ich, dass der Großteil der Menschen auf literarische Zeitschriften verzichten kann. Nur Lyrikliebhaber würden enttäuscht sein, wenn sie auf literarische Zeitschriften verzichten müssten, da diese nach wie vor das Medium für neue, unbekannte Lyrik sind.

  4. Geschrieben von Lisa am 29. Juli 2010 um 07:15 Uhr

    @ Löwenzahn: Ich glaube auch, dass die literarische Zeitschrift in der Nachkriegszeit (Printausgabe, Abonnentenmodell, langsamer Erscheinungsrhythmus mit maximal sechs, meist sogar nur zwei Ausgaben im Jahr, hoher Ladenpreis, Verzicht auf eine kiosktaugliche Aufmachung, die auch Spontankäufer erreichen könnte, …) keine Zukunft haben kann. Aber ich glaube, dass wir literarische Zeitschriften unbedingt brauchen. Ich bin gespannt, welche Angebote sich im Internet entwickeln werden, die funktionieren wie literarische Zeitschriften und sich dabei so gut aufstellen, verlinken, zitiert werden, … dass sie auch deren Reichweite erreichen.

    „Zehn Seiten“ – darüber hatten wir hier im Blog schon einmal diskutiert – ist so ein Internetprojekt, das mir ein bisschen vorkommt wie eine literarische Zeitschrift, allerdings auf Videobasis, audiovisuell. (Autoren lesen dort jeweils zehn Seiten aus ihrem aktuellen Buch.)
    Ansonsten gilt doch das gleiche wie bei primärliterarischen Zeitschriften á la „Akzente“: 1. Es werden Ausschnitte aus Büchern inszeniert. 2. Die Länge der Ausschnitte ist genormt (zehn Seiten). 3. Es sind wirklich nur primärliterarische Ausschnitte, kein Sekundärtext, nicht einmal Paratext. 4. Der Erscheinungstermin ist regelmäßig, die Zusammenstellung schlicht durch die Verhältnisse auf dem Buchmarkt gegeben, wirkt also in der Kombination ein wenig willkürlich, ist dafür aber aktuell. All das ist doch eigentlich genau wie in einer literarischen Zeitschrift. Nur eben: in Videoform, Autoren lesen selbst. http://www.zehnseiten.de/

  5. Geschrieben von effi briest am 29. Juli 2010 um 07:59 Uhr

    @ lisa: nicht zu vergessen natürlich die “dokumentarische funktion” der literarischen zeitschriften, der das internet nochmal ganz andere bedeutung verleiht. wir haben ja gesehen, wie genau eine zeitschrift wie “akzente” jeweils den ist-stand der literatur in dem vierteljahr wiederspiegelt in dem die jeweilige ausgabe erschienen ist. (das gilt natürlich auch für die zeitschriften, die nur ein bestimmtes genre abdecken – dann eben nur für die jeweilige nische.)
    ein beispiel: ich bin fan von max goldt und liebe seine bücher und kolumnen. (falls ihr ihn nicht kennt: http://de.wikipedia.org/wiki/Max_Goldt). was ich bisher nicht wusste: auch er hat in einer literarischen zeitschrift debütiert, nämlich in “ich und mein staubsauger”. die zeitschrift wäre heute sicher gar nicht mehr zugänglich, wenn es nicht online ein archiv aller ausgaben gäbe, das man relativ einfach finden kann, wenn man nach max goldt recherchiert: http://staubsauger.gesindel.org/
    hier findet ihr alle ausgaben der zeitschrift “ich und mein staubsauger” digitalisiert, links könnt ihr die nummern 1-25 aufrufen.
    toll!

    und nochmal @ lisa: zehn seiten ist wirklich ein tolles projekt, sehe ich gerne! und mit deinen genannten punkten hast du auch recht. aber ist nicht der große unterschied zur literarischen zeitschrift, dass die verlage diese filmchen als werbeplatz kaufen und selbst bestimmen, welche autorinnen und autoren sie dort präsentieren wollen? das ist ein großer unterschied zur literarischen zeitschrift. dort gibt es zwar auch werbeanzeigen, aber der redaktionelle teil – also die auswahl der titel – ist eben doch weitgehend unabhängig.

    @ löwenzahn: dir (und frau krones) würde ich auch recht geben, es sind die feuilletons in den zeitungen, die die zeitschriften für viele leserinnen und leser überflüssig gemacht haben. die konkurrenz sind wirklich diese so regelmäßig und jeden tag aktuell erscheinenden feuilletons, nicht so sehr das internet. denn das eignet sich ja gut, um projekte auf die beine zu stellen, die literarische zeitschriften sind oder wie literarische zeitschriften funktionieren.

    kennt ihr noch welche?

  6. Geschrieben von Cinnamongirl am 29. Juli 2010 um 10:08 Uhr

    Ich kann mich der allgemeinen Meinung nur anschließen, dass Literaturzeitschriften sowohl an Bedeutung als auch an Funktion verloren haben. Der klare Beweis hierfür war wohl, dass die behandelten Zeitschriften im Seminar niemandem bekannt waren. Meiner Einschätzung nach, dürfte das zu einem großen Teil am Preis liegen. Die meisten Hefte sind doch relativ teuer und da investiert man vielleicht eher in eine Tageszeitung mit einem guten Feuilleton. So wird man ebenfalls über relevantes Tagesgeschehen informiert. Auch die Veränderungen innerhalb des Buchmarktes dürften dazu geführt haben, die literarischen Zeitschriften mehr in die Ecke zu drängen. Der Markt ist insgesamt schnelllebiger geworden und auch das Internet als Publikationsort ist ein starker Konkurrent. Literarische Zeitschriften haben also viel von ihrem Experimentiercharakter verloren, beziehungsweise sind in dieser Funktion überflüssig geworden. Ich denke, dass sie heute vor allem ein viel kleinere Zielgruppe ansprechen als früher und mehr zu einem Mittel der Kommunikation für „Eingeweihte“ geworden sind, also vor allem für Leute die selber schreiben, vielleicht einige Literaturstudenten (betrifft wahrscheinlich vor allem Zeitschriften wie Bella triste, die an Universitäten gekoppelt sind) und für Verlage. Die geringe Auflagenzahl fast aller Hefte zeigt allerdings, dass auch hier keine allzu große Nachfrage besteht. Ich könnte mir auch vorstellen, dass die literarischen Zeitschriften vom Medium Internet vollständig abgelöst werden, da das Internet wohl eher mit unserer Zeit Schritt halten kann. Anfänge sind hier bereits gemacht mit den vielen Blogs und YouTube-Kanälen etc.

  7. Geschrieben von Löwenzahn am 30. Juli 2010 um 19:25 Uhr

    @ Lisa: Zehn Seiten ist wirklich ein tolles Projekt. Ich kannte die Seite davor noch nicht und sie hat mir wirklich gut gefallen. Ich stimme auch mit dir in den Punkten überein, dass dieses Format literarischen Zeitschriften sehr ähnlich ist. Aber ich denke, dass es sich in einem wichtigen Punkt von diesen unterscheidet: Die Autoren, die dort ihre Bücher vorstellen, sind bereits bei einem Verlag unter Vertrag genommen und ihr Buch ist schon erschienen. Zumindest habe ich das so verstanden.
    In literarischen Zeitschriften dagegen veröffentlichen auch viele Studenten – siehe Bella triste und Edit – oder zumindest unbekannte Autoren, die womöglich von einem Verlag abgelehnt wurden und nun diese Plattform nutzen.
    Bieten literarische Zeitschriften Autoren vielleicht doch andere Möglichkeiten als Feuilletons oder das Internet und können deswegen doch nicht von diesen ersetzt werden?

  8. Geschrieben von Lisa am 31. Juli 2010 um 07:38 Uhr

    @Löwenzahn: Stimmt, da hast du recht. Es (=“Zehn Zeichen“) ist eben doch auch eine Werbeplattform, wo Verlage ihre Neuerscheinungen vorstellen (und dafür bezahlen). Eine literarische Zeitschrift sollte natürlich im besten Fall unabhängig sein. Ob von Verlagen finanzierte Zeitschriften das (immer) sind (sein können) haben wir ja auch diskutiert.

    Übrigens: Hier gibt es viele Links zur Literatur im Netz … http://www.berlinerzimmer.de/
    Literarische Zeitschriften findet man unter dem Link „Magazine“.
    Vielleicht entdeckt ihr ja was Schönes, ich werde gleich mal stöbern.

  9. Geschrieben von Susanne Krones am 01. August 2010 um 19:11 Uhr

    Eine interessante neue Entwicklung gibt es im Bereich der hochauflagigen Nachrichtenmagazine: Der „Focus“ will künftig Autoren und Schriftsteller für die Publikation von Original-Texten in einem „literarischen Salon“ im Heft gewinnen.

    In der nächsten Ausgabe startet der „Focus“ mit dem Abdruck bisher unveröffentlichter Texte des Dramatikers Botho Strauß. Es handelt sich wohl um kurze Geschichten mit den für Botho Strauß „typischen Alltagsbeobachtungen“ und „Szenen voller Komik und Absurdität“ (so in der Pressemitteilung des „Focus“). Zu diesen unveröffentlichten literarischen Primärtexten, mit denen der Kulturteil des „Focus“ eine klassische Funktion literarischer Zeitschriften übernimmt, sollen Meinungsbeiträge von Persönlichkeiten aus dem Kulturbetrieb kommen, die zu den literarischen Proben Stellung nehmen (Autorin Sibylle und der Literaturkritiker Denis Scheck, der für die ARD die Sendung „Druckfrisch“, moderiert, sollen die ersten sein, die sich in der neu eingeführten Rubrik „Jetzt oder nie“ äußern).

    Es lohnt sich sicher, einen Blick in das Heft vom 2. August zu werfen und mittelfristig zu beobachten, ob diese Rubrik sich wird etablieren können. Spannend ist es in jedem Fall, dass hier ein hochauflagiges Nachrichtenmagazin primärliterarische Texte wieder ins Hauptblatt integriert.

    Hier zum Nachlesen die Meldung im Börsenblatt des deutschen Buchhandels:
    http://www.boersenblatt.net/391048/

    Und hier die Einschätzung des Mediendienstes „kress“:
    http://kress.de/tagesdienst/detail/beitrag/105478-literarischer-salon-botho-strauss-focus-kauft-kultur-schreiber-ein.html

  10. Geschrieben von Löwenzahn am 01. August 2010 um 19:15 Uhr

    Ich habe im ZEIT-Archiv einen Artikel von 1990 gefunden, der sich auch schon mit der Debatte auseinandersetzt, ob die Literatur noch ihre Zeitschriften braucht.

    http://www.zeit.de/1990/38/Von-der-Hand-in-den-Mund?page=1

    Ist doch interessant, dass man sich schon vor 20 Jahren mit dieser Frage beschäftigt hat.

  11. Geschrieben von Susanne Krones am 01. August 2010 um 19:32 Uhr

    @ Löwenzahn: Vielen Dank für den Link zum ZEIT-Artikel von 1990! Das ist ein sehr guter Tipp, denn an dem Texte können Sie alle gut sehen, wie die unterschiedlichen Zeitschriften und ihre Herausgeber arbeiten und ihre Rolle verstehen! Es lohnt sich, ihn zu klicken und zu lesen! Danke!

    Viele der Argumente (wenig Relevanz durch niedrige Auflagen, behäbiger Erscheinungsrhythmus, Funktionsverlagerung in die wachsenden Feuilletons, …) hatten wir ja hier in der Diskussion auch schon.

    Eine Passage, die zeigt, dass literarische Zeitschriften allerdings eine wichtige Funktion haben, die Feuilletons so nicht ersetzen können, ist die über die Funktion des „literarischen Weckers“: „Literaturzeitschriften funktionieren als literarischer Wecker. So bemüht sich Michael Krüger mit den Akzenten seit Jahren um die europäische Moderne: Etwa wenn er Julien Gracq, einen Außenseiter der französischen Gegenwartsliteratur, mit mehreren Neuübersetzungen und Aufsätzen vorstellt. Pünktlich zum achtzigsten Geburtstag ist Gracq vollständig ins Deutsche übertragen worden. Die Reihe ließe sich fortführen, auch wenn nicht immer genau zu rekonstruieren ist, wie die Prozesse der Vermittlung und Entdeckung verlaufen. Zweifellos aber spielen die Literaturzeitschriften dabei eine Hauptrolle.“

    Das wird auch der literarische Salon des „Focus“ so nicht leisten können und wollen, da diese Rubrik ja auch darauf abzielt, ja, darauf abzielen muss, prominente Namen ins Blatt zu holen – Autorinnen und Autoren, an deren unveröffentlichen Texten großes Interesse besteht, eben weil sie im deutschsprachigen Raum schon einen großen Namen haben.

  12. Geschrieben von Cinnamongirl am 02. August 2010 um 13:50 Uhr

    Einerseits halte ich den literarischen Salon des „Focus“ für eine gute Idee, andererseits aber denke ich mir, dass es doch einigermaßen problematisch ist, wenn Zeitschriften/Zeitungen nun auch noch die Veröffentlichung von Primärtexten an sich „reißen“. Da fehlt es dann doch ein wenig an Vielfältigkeit. Es besteht die Gefahr, dass, wie bereits angedeutet, nur etablierte Autoren ausgewählt werden oder einem gewissen „Kanon“ gefolgt wird. Ich habe den Eindruck, dass hier Literatur irgendwie „normiert“ werden soll…

  13. Geschrieben von Monalisa am 07. August 2010 um 14:33 Uhr

    Das Hauptproblem meiner Meinung nach liegt in dem zu dichten Netz an Informationen und schriftlichen Äußerungen: Wer lesen und schreiben gelernt hat, kann schon einen Groschenroman verfassen. Wie viele Redakteure gibt es, die tagtäglich ihre Meinungen zu Papier bringen. Und wie viele Schriftsteller schreiben ihre Gedanken auf, um sie anschließend wenn möglich publizieren zu lassen. Es gibt zu so vielen Themen unzählige Verfasser, die nur darauf warten, Gehör im Publikum zu finden. Und das Publikum sollen wir sein. Wie soll das denn gehen,wenn wir uns nicht nur mit Literatur, sondern tagtäglich mit Politik und Wirtschaft auseinandersetzen müssen? Und dann gibt es noch die regionalen Themen, nunja am besten Radio an und reingehört. Ganz ehrlich, wenn man nicht ein ausgesprochenes Interesse an Literatur und aktuell publizierenden Literaten hat, wer nimmt sich schon die Zeit, sich durch die Lyrik- und Prosatexte einer Literaturzeitschrift durchzuwühlen? Ich denke, dass mittlerweile ganz andere Formen der Information für uns wichtig geworden sind: Politik und Meinung, Trend und Style, Garten, Kochbücher und andere Dinge, um sich das Leben entweder schöner zu machen oder sich mit mehr Wissen über interessante Dinge anzureichern. Schöngeistige Literatur, wer braucht das heute schon noch? In der Schule bekommen wir beigebracht, was die Gretchen-Frage ist; an der Uni studieren interessierte Germanisten und Literaturwissenschaftler die Bedeutung der Postmoderne für die Entwicklung des Märchens; und sonst haben wir konkret nur dann mit Literatur zu tun, wenn wir in Verlagen oder Redaktionen sitzen. Und ja: es gibt sie doch noch, diese Literaturseite mit vorgeschlagenen Büchern. Wenn wir aber genauer hinsehen, entdecken wir, dass viele davon keine Romane sind. Es sind Reiseführer oder Kochbücher.

  14. Geschrieben von Monalisa am 07. August 2010 um 14:34 Uhr

    Rechtgeben muss ich Löwenzahn, was den hohen Preis und die niedrige Auflage angeht. Auch dem Argument mit den Abos stimme ich zu. Die Literaturzeitschrift „Krachkultur“ erzielte im Jahr 2009 50 Abos und hatte eine niedrige Auflage von nur 1000 Exemplaren. Sehr flächendeckend bekannt kann die Zeitschrift nicht sein, und auch nicht werden. Sie druckt für diejenigen, die ohnehin „Stammleser“ sind, für Verlagsmitarbeiter und Redakteure, und für die letzten Wenigen, die sich tatsächlich noch gern die Zeit und Behaglichkeit nehmen, um eine Literaturzeitschrift durchzulesen. Und da wären noch die wenig ansprechenden Texte, wie Löwenzahn bemerkt. Woran liegt das? An der Reizüberflutung, wie ich denke (siehe 1. Beitrag). Anders als bei diesen Zeitschriften sieht es für Bücher aus: gerne werden sie gekauft und gelesen. Man muss sich fragen, weshalb sich Menschen lieber für ein kompaktes Taschenbuch mit nur einer Geschichte befassen, als mit einer Literaturzeitschrift, die doch vielseitige Geschichten erzählt. Ich denke, wenn wir uns schon die kostbare Zeit nehmen und uns hinsetzen, um eine spannende oder lustige Geschichte zu lesen, dann sollte das doch eine sein, die unseren Bedürfnissen entspricht. Spannend und abwechslungsreich, Komödie oder Krimi – Hauptsache etwas, das uns für einige Stunden bewegt und erfüllt. Kleinere Ausschnitte solcher Bücher in Literaturzeitschriften zu lesen, ist meiner Meinung nach nicht so bewegend, als die komplette Geschichte selbst. Sieht man sich „Krachkultur“ an, dreht sich zumindest mir persönlich leicht der Kopf: zu hochgestochen, zu künstlerisch, nicht meine Richtung. Was etwas verwundern kann, ist die Tatsache, dass Zeitungsberichte viel mehr gelesen werden als Literaturzeitschriften, in denen in einem intensiveren Maß Literaten und ihre Werke vorgestellt werden. Auch Zeitungen schneiden besser ab als unsere Literaturzeitschriften. Für einen übersichtlichen Einblick in die Welt der aktuellen gelesenen Literaten ist eine Zeitung doch immer besser. Hier weiß man, dass die Romane nicht nur gelesen wurden – wie sie ja auch von Zeitschriftenredakteuren gelesen werden -, hier werden die Werke besprochen, kommentiert. Der Leser kann sich kurz und knapp über die wichtigsten Entwicklungen in der Literaturbranche informieren. Die Literaturzeitschrift ist irgendwie unglücklich irgendwo zwischen beiden populären Polen, dem Roman und der Zeitung. Weder so umfangreich noch knapp genug, da ist sie eben weniger attraktiv.

  15. Geschrieben von Monalisa am 07. August 2010 um 14:34 Uhr

    Jetzt stellt sich noch die Frage mit den Zeitungsbeiträgen: warum soviel beliebter als professionelle Literaturzeitschriften? In den letzten Beiträgen wurde das ja bereits besprochen und zusammengetragen. Und ich kann mich hier nur anschließen. Die Tages- und Wochenzeitungen sind vor allem kostensparend. Allein aus Platzmangel ist der Inhalt für die Rubrik Literatur beschränkt. Die Redakteure sind also gezwungen, nur das aller Wichtigste und möglichst auch Interessanteste vorzustellen. Das bringt dem Leser eine angenehme Übersicht. Nicht erst ein paar Stunden müssen verstreichen, bis er eine Literaturzeitschrift durch hat und das Aktuellste herausgefunden hat. Innerhalb weniger Minuten, vielleicht eine Stunde, und das Thema Literatur kann abgehakt, andere Themen zu Kultur oder Reisen angegangen werden. Literatur, ein schönes und exklusives Kulturprodukt unserer Gesellschaft – sehr empfehlenswert für die geistige Bildung, und für Ausdruck und Eloquenz. Ein sehr pädagogischer Anspruch. Warum liest der Verbraucher von heute lieber Geo- oder Kochzeitschriften? Ich glaube, weil er hier – nach einem anstrengenden Arbeitstag – zur Ruhe kommen kann und abschaltet. In diesen Zeitschriften gibt es etliche Tipps für die eigene Freizeitgestaltung. Und begleitet werden diese mit zahlreichen Photos auf Hochglanz. Farbenfreude, ansprechende und je nach dem auch genussvolle Bilder machen das Lesen einer Geo- oder Kochzeitschrift um einiges attraktiver. Eine Literaturzeitschrift wie „Krachkultur“ ist hier eher nackt, leblos, Schwarz-Weiß. Irgendwie langweilig. Auch wenn der Inhalt umso interessanter sein könnte. Nur zum Entspannen sind farbenfrohe und lebendige Seiten vielleicht doch geeigneter. Wo wir heute angelangt sind, sieht man vielleicht auch an der Zeitung „Bild“: sehr viel Wow und Hey!, Bilder und fette Überschriften, wenig Moral und eine große Leserschaft.
    Also liegt es an der schlechten Aufmachung einer Literaturzeitschrift. Dieses Beibehalten einer schlichten Aufmachung ist vielleicht nur der Versuch, den künstlerischen Anspruch an die Literatur weiterhin zu unterstreichen. Nicht die Optik ist entscheidend, sondern der Inhalt. Sicherlich richtig, sicherlich lobenswert. Zur Vermarktung jedoch nicht sehr erfolgreich. Die junge Literaturzeitschrift Bellatriste zeigt da schon eher, was man aus einer Zeitschrift aus diesem Themenkomplex alles herausholen kann.
    Und ich gebe es zu, ich bin ein fauler Leser: ich würde viel lieber einen guten Zeitungsartikel über Literatur lesen und mir die Seite über empfehlenswerte Bücher durchstöbern. Oder ich würde mir die Abendstunden freihalten, um ein Buch zu lesen, das mich auch sicher interessiert, und von dem ich bereits weiß, dass es humorvoll und mitreißend geschrieben ist. Aber ich würde keine Literaturzeitschrift lesen, denn dafür reicht das Interesse an diversen aktuellen Literaten leider nicht aus. Und es gibt etliche andere Themenkreise, die in meinen Augen interessanter und lohnenswerter sind. Man verbringt schon soviel Zeit damit, sich seine Freizeit zu planen, Prospekte zu lesen oder einfach ins Kino zu gehen, dass ein Durchlesen einer Literaturzeitschrift leider im unteren Bereich der to-do-Liste steht.

  16. Geschrieben von Sonnenschein am 16. August 2010 um 09:44 Uhr

    Wie bereits in den vorangegangenen Beiträgen erwähnt sind Literaturzeitschriften im 21. Jahrhundert nicht mehr zeitgemäß. Die Feuilletons der großen Tages- und Wochenzeitungen haben die einstigen Funktionen von Literaturzeitschriften zum größten Teil übernommen und sind zudem eine günstige Alternative, die nicht ausschließlich über die neusten kulturellen Entwicklungen, sondern auch über das aktuelle Tagesgeschehen informieren. Ein weiterer Grund, warum Literaturzeitschriften kaum noch Chancen haben ein großes Publikum anzusprechen ist das Internet. Als kostenloser Datenspeicher, die für jeden zu jeder Zeit zugänglich ist, bietet das Internet eine weitaus attraktivere Plattform seine eigenen Texte der breiten Masse zur Verfügung zu stellen. Zusätzlich zum Internet spielen natürlich auch Faktoren, wie die gesunkenen Buchpreise, hohe Taschenbuchauflagen und die auch ansonsten vielfältige Buchmark eine entscheidende Rolle.

  17. Geschrieben von Sonnenschein am 16. August 2010 um 09:54 Uhr

    Zudem denke ich ebenso wie Löwenzahn und Monalisa, das der hohe Preis und die niedrige Auflage von Literaturzeitschriften und zudem ihre geringe Popularität sie als Medium für Neuerscheinungen immer unattraktiver werden lassen. Wie jedes andere Medium ist auch die Zeitschrift in der Pflicht mit der Zeit zu gehen. Neue Literaturzeitschriften, wie Bellatriste und Edit sind auf ein junges Publikum ausgelegt und haben neben einem Internetauftritt auch das Layout jung gestaltet. Ich denke, das die Mediale Präsens ein entscheidender Faktor für das überleben von Literaturzeitschriften im 21. Jahrhundert darstellt. Bei der Vorbereitung meines Referats über Bellatriste ist mir aufgefallen, wie wenig man eigentlich über diese Zeitschrift erfährt. Es gibt zwar eine Internetseite und dazu einige Leseproben, die Gründungsgeschichte und weiterführende Artikel über Bellatriste existieren kaum. Die Frage ist also, wären Literaturzeitschriften bekannter und beliebter, wenn ihre mediale Präsenz stärker wäre?

  18. Geschrieben von Monalisa am 18. August 2010 um 11:26 Uhr

    @ Sonnenschein: ja, da gebe ich dir recht: Die Internetpräsenz ist unbedingt wichtig, um das Publikum noch ansprechen zu können.

    Auch wenn es einige Nachteile verspricht für diejenigen jungen Autoren, die noch nicht unter Vertrag stehen und diese Plattform für sie deshalb weniger erreicht werden kann – wie Lisa und Löwenzahn das bereits ausgeführt haben. Die „Zehn Zeichen“ mag zwar eine Werbeplattform für unter Vertrag stehende Autoren sein. Aber sie haben die richtige Präsenz, auf die es heute ankommt: Medienpräsenz. Und ganz ehrlich, ich finde diese Idee toll. Man erfährt nicht nur einiges von den Autoren, kann ihr Geschriebenes lesen, sondern erhält auch Einblicke über Audio-Dateien. Schlecht zwar für junge Autoren, die noch einen Vertrag brauchen, sehr gut allgemein für den Literaturmarkt.

  19. Geschrieben von Monalisa am 18. August 2010 um 11:36 Uhr

    Ich denke, wenn man sich heute umsieht, sieht man sehr viel von medialen Präsenzen, die auch stark den Werbezwecken dienen. Das ist leider ein Kurs, der weiter stark begangen wird (und vielleicht auch in ein Werbeanzeigen-Chaos mündet). Jedenfalls sehe ich genau darin eine Chance für die Literaturzeitschriften: Sie müssen medial präsent werden, viel mehr als über Druckausgaben. Auch wenn das heißt, dass die Druckausgaben noch stärker minimiert, wenn gleich weggelassen werden müssen aus finanziellen und zeitlichen Gründen. Sowie Zeitungen und Bücher danach streben, sich künftig über Online-Ausgaben zu finanzieren, so müssen auf diesen Zug auch unsere literarischen Zeitschriften aufspringen. So wie man hört, stecken Zeitungen weltweit in dem großen Schlamassel, dass ihre gedruckten Ausgaben weniger gelesen, weniger abonniert werden. Viele ursprüngliche Zeitungsleser haben es sich bereits zur Gewohnheit gemacht, morgens ins Internet zu gehen und sich die tagesaktuellen Informationen und Diskussionen aus dem Netz zu holen. Ich wüsste keinen Verlag, keine Zeitschrift und Zeitung, die nicht eine eigene Online-Präsenz hat. Diese Online-Dienste werfen aber kaum Gewinn ab. Ich denke, den einzigen Gewinn, den sie daraus ziehen können, bekommen sie anhand der auch online gestellten Werbeanzeigen. Deshalb steht das Thema groß zur Diskussion, die Leser künftig an online-Accounts zu binden und sie für jeden gelesenen Artikel im Internet zahlen zu lassen: Ein kurzer Aufriss mit Bild soll den Artikel inhaltlich grob beschreiben und Lust aufs Weiterlesen machen, auf „weiterlesen“ klicken und ein paar Cents für den Spaß zahlen. Da sich die Zeitungen untereinander noch recht uneinig sind, wie das im Konkreten zu regeln sei, wird dieser kostenpflichtige Online-Dienst wahrscheinlich noch auf sich warten lassen. Ein anderes Thema sind die online-Bücher, die man sich illegalerweise bereits wie Filme runterladen kann. Ein Trend für den Büchermarkt sind iPods und iBooks. iBooks werden bereits angeboten und sollen schon zu Weihnachten breitgefächert ins Geschäft kommen, damit sich der Kunde möglichst schnell daran gewöhnt: Eine dünne, elektronische Platte in DinA4-Format, auf die elektronisch Bücher übertragen werden können. Das Seitenumblättern beim Bücherlesen wird ersetzt durch einen Touchscreen. Ich sag jetzt nicht, dass ich ein großer Freund dieser Idee bin. Denn mir wäre ein Buch zu lesen weiterhin lieber. Es ist einfach kuscheliger, sich mit einem Buch nachts ins Bett zu legen – und keine Angst davor haben zu müssen, es kaputtzumachen wie beim iBook. Aber tja, so ist der zukünftige Markt. Schätzungsweise wird man sich dem allgemeinen Trend anpassen – die Idee mit den elektronischen Büchern spart schließlich Kosten, Zeit (für den Bücherkauf), Materialien und Platz. Bücherregale werden überflüssig.
    Zukunft können die Literaturzeitschriften dann haben, wenn sie jetzt eine möglichst einschlägige, lebendige und ansprechende Internetpräsenz anbieten – am besten in Form von „Zehn Seiten“, nur mit dem Unterschied, dass auch Autoren ohne Vertrag zu Wort kommen können. Wenn die Zeit reif ist für kostenpflichtiges Artikellesen im Internet, dann auf jeden Fall mit dem Trend gehen und ebenfalls einige Artikel, Gedichte kostenpflichtig machen (ein Gedicht für einen Cent?). Manche Leseproben sollten allerdings weiterhin kostenfrei bleiben, allein um die Seite allgemein etwas attraktiver erscheinen zu lassen als es Homepages von Zeitungen sind. Und wenn die ganze Welt schon auf den Zug aufspringt und Bücher per iPod und iBook liest, dann sollte es auch genügend Gedichte und kurze Aufsätze von Literaten geben, die über einen Online-Dienst heruntergeladen, bezahlt und gelesen werden können.

  20. Geschrieben von Monalisa am 18. August 2010 um 12:06 Uhr

    Zum Beitrag von Frau Krones am 1. August kann ich nur sagen: Daumen hoch! Da hat sich der Focus etwas Tolles einfallen lassen. Ich kann die Meinung von Cinnamongirl leider kaum teilen. Sie hat zwar recht damit, dass die Vielfalt damit verloren geht. Aber letztlich haben literarische Autoren die im Augenblick – so finde ich – bestmögliche Werbung, die sie bekommen können: Primärtexte im Focus abdrucken, besser könnte es doch gar nicht sein. Die Vielfalt an sich muss auch gar nicht verloren gehen. Es ist klar, dass Zeitungen aus Platzmangel nur bestimmte Dinge und davon das Wichtigste veröffentlichen können. Soweit zu den Druckausgaben. Doch was ist mit der Homepage einer Zeitung? Eigentlich optimal für Literaten, um nicht nur Aufmerksamkeit der Zeitungsleser zu erhalten, sondern darüber hinaus auf eventuelles Weiterlesen auf die Homepage verwiesen zu werden. Wenn die Zeitung dann noch so nett wäre und mit einer Literaturzeitschrift kooperiert, könnte der Link direkt zum Onlineportal der Lit.zeitschrift hergestellt werden. Hinsichtlich der Entwicklung, dass Artikel und Diskussionen zunehmend im Internet verfolgt werden, kann mit einem Primärtext in der Focus-Ausgabe zunächst Appetit gemacht und im Internet weitere Text-Ausgaben gelesen werden. Ganz gleich, welche Position und Bedeutung die literarischen Zeitschriften einnehmen, wichtig ist doch, dass den Lesern gezeigt wird, was im Literaturbetrieb nicht alles auf sie wartet. Im schlimmsten Fall für die Literaturzeitschriften, sollten Zeitungen nicht mit ihnen zusammenarbeiten, würden diese noch weniger Gelegenheitsleser haben, und innerhalb der nächsten zehn Jahre vielleicht sogar verschwinden. Aber wäre das so schlimm, wenn dafür neues Literaturinteresse bei den Zeitungslesern geweckt wird? Wenn sich die Literaturzeitschriften nicht bald ranmachen, haben sie ohnehin keine großen Überlebenschancen bzw. bleiben im kleinen Dunkel der kaum beachteten Zeitschriftenecke stecken. Das Interesse an der Literatur muss dadurch nicht mituntergehen. Ein stärkeres Bemühen der Zeitungen um Literatur kann einen Gegentrend zur Folge haben, so dass nicht nur Trivial-, sondern auch mehr schöngeistigere Literatur gelesen wird.

  21. Geschrieben von Sonnenschein am 19. August 2010 um 15:08 Uhr

    @ Monalisa: Ich finde auch, das der Focus eine gute Plattform für junge Autoren bietet und gerade der Internetauftritt auch Menschen auf die Literatur aufmerksam macht, die vielleicht nicht so viele Bücher lesen und sich damit schon gar nicht für literarische Zeitschriften interessieren.
    Außerdem denke ich, dass das Internet grundsätzlich eine gute Möglichkeit ist viele Menschen zu erreichen und auf neue Literatur aufmerksam zu machen.
    Was den neuen Trend iBook angeht. Ich bin kein Freund von Büchern oder Zeitungen die aussehen wie das neuste iPhone. Vielleicht liegt das ja daran, das wir Germanisten sind und deswegen eine bestimmte Liebe für Bücher mitbringen, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen an einem kalten regnerischen Tag auf meinem Sofa zu sitzen und anstatt einen dicken Roman in der Hand zu haben auf einem Touchscreen herumzudrücken. Ich persönlich hoffe nicht das sich dieses neue Konzept, von noch mehr Information auf weniger Platz für weniger Geld durchsetzt. Gleichzeitig denke ich das es immer Bücher und Zeitungen geben wird. Neben dem Focus druckt auch die Zeit schon seit jahren immer wieder Primärtexte ab. Diese Texte in Verbindung mit den neusten Buchrezensionen bietet eine große Vielfalt. Zusätzlich zu Romanauschnitten und Textproben druckt die Zeit auch häufig Gedichte in ihren Ausgaben. Leider sind selten junge Autoren unter den Verfassern aber wie in der Prosa entwickelt sich auch eine neue junge Lyrik, die zumindest im Zeitmagazin ein Forum bekommt.

  22. Geschrieben von Sonnenschein am 19. August 2010 um 15:25 Uhr

    Fraglich bleibt allerdings, warum Lyrik in Zeitungen und Internetforen so vernachlässigt wird. Ich denke, dass die meisten Zeitungen, genau wie ihre Internetforen den neusten Trends in der Literatur untergeordnet sind. Ich kenne kaum Junge Menschen, die sich speziell für Lyrik interessieren und sollte das doch der fall sein sind es immer bestimmte Richtungen. Ich persönlich bin kein Lyrik Fan aber wenn ich Gedichte lese, sind diese meist expressionistisch oder aus dem frühen Dadaismus. Vielleicht ist auch das der Grund, warum die Lyrik in Zeitungen oftmals stiefmütterlich behandelt wird. Im Vergleich zu literarischen Zeitschriften bieten Zeitungen allein durch ihre höhere Auflage und ihr schnelleres Erscheinen eine Aktualität der Beiträge, die eine literarische Zeitschrift nur schwer bieten kann. Gerade deshalb denke ich, wäre es für Lit. Zeitschriften so wichtig eine gute und weitreichende Internetpräsenz zu bieten. Außerdem denke ich wären es auch für junge Zeitschriften gut etablierte Autoren für ihre Ausgaben zu gewinnen, die ein bestimmtes Stammpublikum mitbringen. Bellatriste versucht das bereits mit einem Literaturfestival und anderen Veranstaltungen bei denen auch schon Thomas Meinecke aus seinen Büchern vorgelesen hat. Ebenso wie es die Akzente vorgemacht haben önnte ich mir auch vorstellen, dass eine spezielle Reihe mit expressionistischer Lyrik oder Popliteratur neue Leser neugirig machen könnte. Neben der eigentlichen Aufgabe die zeitgenössische Literatur abzubilden könnten die Zeitschriften extra Ausgaben entwerfen und etablierte Texte mit neuer Literatur verbinden, die ähnlichen Einflüssen unterworfen ist.

  23. Geschrieben von Cinnamongirl am 25. August 2010 um 10:43 Uhr

    @Sonnenschein: Ich kann dir nur zustimmen, dass Lyrik sowohl in Zeitungen, als auch in Internetforen ziemlich kurz kommt. Die einzige Ausnahme, die mir bekannt ist, sind etliche Plattformen der Gothic-Kultur, wie zum Beispiel http://www.gothic-gedichte.de/, die Lyrik präsentieren. Aber hier überwiegt natürlich auch ganz klar ein Thema… Und da hier wirklich jeder mitschreiben kann, ist die Qualität manchmal auch etwas fragwürdig. Was aber nicht heißen soll, dass nicht hin u. wieder etwas Interessantes dabei wäre. Wobei ich mir auch gut vorstellen könnte, dass außer Szeneeingeweihten wohl kaum jemand über diese Seiten im Internet stolpern wird u. damit wohl auch nur ein minimales Publikum erreicht wird.
    Vielleicht ist die Lyrik einfach nicht schnelllebig genug für das Internet u. die neue Informationsgesellschaft? Ich kann mir kaum vorstellen meinem Lieblingslyriker auf Twitter zu folgen. Das passt irgendwie nicht zusammen, zumindest nicht für mich. Das liegt aber auch vielleicht daran, dass ich mich mit eBooks so gar nicht anfreunden kann. Mir ist ein „richtiges“ Buch, das man anfassen kann, einfach lieber.

  24. Geschrieben von Monalisa am 25. August 2010 um 15:47 Uhr

    @ Cinnamongirl: Da kann ich dir nur zustimmen. Ebooks sind einfach irgendwie.. naja nennen wir’s unsympathisch. Aber ich denke mir, dass es nicht umsonst diesen Trend geben wird. Vielleicht verdrängt Ebook letztlich nicht das gemütliche auf-der-Couch-liegen-Buch, aber es ist doch sehr praktisch. Für Verlage und Zeitschriften, auch Zeitungen, denke ich, wird dieser Trend aufgehen. Sie können schneller, bequemer und billiger an ihre Literatur-Infos kommen.