Bauchgedanken und Laternenlichtmomente. Autorenwerkstatt der Schreibzeit Schweiz (29.1.2012)

Manuskript - Foto: Susanne Krones

 

»Dichten ist Übermut«, schrieb Johann Wolfgang Goethe. Ein Übermut, den die sechzehn Autorinnen und Autoren reichlich im Gepäck hatten, als sie zur Werkstattwoche der Schreibzeit Schweiz nach Bern anreisten. Mehr noch steckte in ihren Rucksäcken und Reisetaschen – Wagemut, Anmut, Wankelmut, Freimut und Schwermut zugleich. Der Mut, in eigenen literarischen Texten Bilder zu schaffen, die lebendig scheinen, die verschmierte Schminke wie »kleine, schwarze Engel über ihr Gesicht tanzen« lassen, die rosa Blumen wachsen lassen »wie Versprechen an den Sommer«, »Fenster wie gelbe gierige Augen« in die Dunkelheit blicken lassen.

»Ich existiere nur, wenn ich schreibe«, schrieb Amelie Nothomb. »Alles andere finde ich ziemlich langweilig.« Dass die sechzehn jungen Talente nicht nur beeindruckendes Bewusstsein für Sprache und Form haben, sondern das Schreiben brauchen wie die Luft zum Atmen und die richtige Musik im Ohr, das war ihnen in jeder Minute anzumerken. »So schließt man die Welt aus«, schrieb eine der Autorinnen. Und schafft sie zugleich neu, in eigenen Worten. Ganz aus sich.

»Schreiben lernt man nur, indem man schreibt«,  schrieb Susan Sontag. Der Rückzugsraum der Werkstattwoche gab den Jugendlichen Zeit, sich auszuprobieren. Erzählungen entstanden, experimentelle Prosa und scharfsinnige essayistische Passagen. Dass die sechzehn außergewöhnliche Fühler für die Welt haben, die sie umgibt, war ihnen immer anzumerken, Zwischentöne, Untertöne erfassen sie intuitiv, wenn etwa beim Stadtspaziergang »eine Führerin etwas in einer Sprache mit runden Kanten erklärt«.

»Es gibt einen Schreibwahn in einem selbst, einen Schreibwahnsinn, aber deswegen ist man nicht wahnsinnig«, schrieb Marguerite Duras. »Im Gegenteil.« Schreiben hilft, Gedanken zu ordnen, klar und analytisch, und mit sprachlicher Präzision alltägliche Wahrnehmungen in Frage zu stellen, wie es eine der Teilnehmerinnen in einer scheinbar harmlosen Frage tut. »Sind Zebras eigentlich schwarz mit weißen Streifen oder weiß mit schwarzen Streifen? « Was kann man wirklich wissen? Und zum Ausdruck bringen?

»Nicht was wir gelebt haben, ist das Leben«, schrieb Gabriel García Marquez, »sondern das, was wir erinnern und wie wir es erinnern, um davon zu erzählen. « Eine der jungen Autorinnen ließ in ihrem Text das Haus der Kindheit niederbrennen. »Bald ist der Kampf zu Ende. Gewinner gibt es nicht.«

Wenn eine Werkstattwoche mit Jugendlichen solche Sätze entstehen lässt, gibt es nur Gewinner: Sechzehn junge Talente, die an ihren im Lauf weniger Tage entstandenen Werkstattexten ablesen können, was in ihnen steckt, und uns Leserinnen und Leser, die wir gespannt sein dürfen, was sie in Zukunft zu sagen haben und welche Ausdrucksformen, die Literatur heute vielleicht noch nicht kennt, sie dafür erfinden werden.

 

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