»Viele Fragen kann man erst beantworten, wenn man an eine Grenze gestoßen ist und sie überwunden hat«

Interview mit der Zeitschrift Lautschrift

Susanne Krones, 1979 geboren, lehrt seit 2007 Angewandte Literaturwissenschaft an der Universität Regensburg. Sie studierte Literatur- und Politikwissenschaft an der Humboldt Universität zu Berlin und im Anschluss Buchwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München, wo sie über die Literaturzeitschrift Akzente im Carl Hanser Verlag promovierte (Wallstein 2010). Seit 2003 lektorierte sie für den Deutschen Taschenbuch Verlag und Carl Hanser Verlag in München, seit 2012 ist sie Lektorin beim Luchterhand Literaturverlag. Sabrina Mönig sprach mit ihr über sichtbare und unsichtbare Grenzen, Studium und Berufseinstieg und den Berufsalltag in einem Beruf, den viele Geisteswissenschaftler anstreben, aber wenige kennen.

Sabine Mönig: Das Thema unserer aktuellen Ausgabe ist »Grenzen«, deshalb zum Einstieg die Frage: Wenn Sie während Ihres Studiums an Grenzen gestoßen sind, wie sind Sie damit umgegangen?

Susanne Krones: An Grenzen im Sinn von Herausforderungen natürlich, ja. Schon der Studienbeginn macht einem ja deutlich, das Studieren nicht einfach nur eine Fortsetzung von Schule ist, sondern ein ganz eigener Abschnitt ist.

Machen Sie diese Erfahrung im Beruf immer noch und wie gehen Sie damit um, wenn Sie an Grenzen stoßen?

Herausforderungen gibt es natürlich auch im Beruf. Die bewältigt man genauso wie die während der Studienzeit: Sich nicht lähmen lassen von der Größe einer Aufgabe, sondern Schritt für Schritt darauf zu tun. Sich mit Kolleginnen und Kollegen austauschen und sein Netzwerk so dicht knüpfen, dass es sich im Ernstfall tatsächlich als Netz und doppelter Boden erweist. Wenn ich mich umhöre, sind im Beruf unsichtbare Grenzen schwieriger zu bewältigen als sichtbare Herausforderungen. Die gläserne Decke zum Beispiel wäre so eine unsichtbare Grenze.

Wollten Sie immer schon Lektorin werden, oder wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Während meiner Studienzeit habe ich professionelle Erfahrung in verschiedenen publizistischen Disziplinen gesammelt, unter anderem in Redaktionen von Buchverlagen, aber auch als Journalistin.

Was haben Sie während ihres Studiums gemacht, um sich Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verschaffen? Sind Sie an irgendwelche Grenzen gestoßen?

Die einzige Grenze, die ich wirklich empfunden habe, ist die, am Ende eine Entscheidung treffen zu müssen, weil das Studium in Verbindung mit der richtigen Praxiserfahrung so viele unterschiedliche Türen öffnen konnte.

Haben Sie Praktika gemacht?

Ja, während meines Studiums, nicht danach. Drei Verlagspraktika und zwei Zeitungspraktika, aus denen jedes Mal weitere Aufträge – eine regelmäßige Tätigkeit als freie Journalistin, gelegentliche Verlagsgutachten – hervorgingen.

Gab es Erfahrungen, die Sie nicht gebraucht hätten?

Im Rahmen des Studiums und der Praktika? Nein. Zumindest im Nachhinein hat sich jede Erfahrung als wertvoll erwiesen.

Hat Ihr Studium Sie gut vorbereitet auf ihren Beruf, oder finden Sie, dass man da etwas ändern sollte?

Auch wenn die Antwort ungewöhnlich sein mag: Ja, es hat mich vorbereitet. Man ist allerdings selbst dafür verantwortlich, die Praxiskomponenten in sein Studium zu integrieren. Damit sollte man rechtzeitig anfangen – und die Universitäten sollten Studentinnen und Studenten auch stärker dazu anhalten.

Was ist besonders wichtig, wenn man Lektor oder Lektorin werden möchte?

Ein Plan B, denn die Chance, dass es klappt, ist nicht allzu groß. Und damit es klappt: Neugier. Lesebegeisterung, was das Buch, aber auch was Zeitungen, Zeitschriften und Onlinemedien einschließt. Durchhaltevermögen. Fremdsprachen.

Und was empfehlen Sie Leuten, die Lektor oder Lektorin werden wollen?

Ganz konkret: Die richtigen Praktika und inzwischen in jedem Fall auch einen digitalen Schwerpunkt, also zum Beispiel professionelle Erfahrung mit Social Media oder digitalen Produktionsprozessen im Bereich E-Book, Enhanced E-Book und App. Das Selbstverständnis, die Aufgaben und Funktionen von Verlagen werden sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten verändern.

Gab es für Sie noch eine Alternative zu dem Beruf der Lektorin?

Journalistin, Hochschullehrerin, Autorin. Zur Leipziger Buchmesse 2014 wird mein Buch Tonspur. Wie ich die Welt von gestern verließ erscheinen, die wahre Geschichte eines junges Mannes, der die DDR im Sommer 1989 über die ungarisch-österreichische Grenze verlassen hat.

Damit erübrigt sich die Frage, ob Sie sich auch schon einmal ganz explizit mit dem Thema „Grenzen“ beschäftigt haben. Ihr Buch ist ja eigentlich die Geschichte eines Grenzübertritts.

Ja, das ist es. Tonspur ist für mich vor allem eine Geschichte über das Wesen der Freiheit. Das hat mich vom ersten Moment an fasziniert und es war bis zum Ende hin die Frage, die mich nicht losgelassen hat: Wie merkt man, dass sie einem fehlt? Und was ist man bereit, für sie aufs Spiel zu setzen? Diese Fragen – viele Fragen – kann man erst beantworten, wenn man an eine Grenze gestoßen ist und sie überwunden hat.

Was ist das Schöne am Beruf der Lektorin und gibt es etwas, was nicht so schön ist?

Die Verbindung von Kultur und Markt, von Tempo und Genauigkeit, von persönlicher Betreuung von Autorinnen und Autoren und ihren Büchern und professioneller Distanz machen diesen Beruf ungemein reizvoll. Genau das macht ihn natürlich auch schwer. Es ist ein Spagat.

Ist Lektorin ein Job, den man vor allem alleine macht oder arbeiten Sie auch viel im Team?

Auch wenn der Beruf dem Anschein nach viel von konzentrierter, einsamer Schreibtischarbeit zu haben scheint, bedeutet er doch auf allen Ebenen Teamwork mit den Kolleginnen und Kollegen aus Herstellung, Marketing, Vertrieb, Presse und Veranstaltungen.

Beschreiben Sie doch bitte mit einem Satz, warum Ihr Beruf als Lektorin und Autorin Ihnen gefällt.

Das Buch ist ein wunderbares Medium.

 

(Zum Interview in der Zeitschrift Lautschrift hier klicken.)

 

Literaturempfehlungen zum Thema:

Schreibverfahren der Jahrtausendwende. Themen, Schreibverfahren und Buchmarkt um 2000, hg. v. Susanne Krones u. Evi Zemanek, Transcript 2008, 456 S. (ISBN 978-3-89942-924-4)

Susanne Krones: Akzente im Carl Hanser Verlag. Geschichte, Programm und Funktionswandel einer literarischen Zeitschrift 1954-2003. Wallstein 2009, 555 S. (ISBN 978-3-8353-0551-9)

 

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